Seouls Nachtleben - Hongdae & Itaewon
Jede Großstadt ist immer bekannt dafür, nie zu schlafen. Seoul ist hier auch keine Ausnahme. Zum Glück hat sich das Thema um Corona etwas gelegt, denn Seouls Nachtleben war u.a. mit davon am meisten betroffen, denn es wurde auch hier alles lahmgelegt und verboten. Nach zwei Jahren kann man jetzt endlich wieder mehr Leben auf den Straßen sehen, die Streetperformances sind zurückgekehrt und man kann hier einigermaßen wieder von Normalität sprechen - ich bin also genau zur richtigen Zeit gekommen! Ich gebe euch einen kleinen Einblick in zwei bekannte Party- und Shoppingviertel Seouls - Hongdae und Itaewon.
Hongdae - Sagt Lebewohl zum Geld!
Als ich letztens mit meinem Freund Jonas und seinem Onkel zusammen nach Hongdae zum Bummeln fuhr, führte ich die beiden umher, als sei ich eine koreanische Siri. "오른쪽으로 가세요", "bitte rechts abbiegen". Jonas' Onkel meinte aus Spaß: "Du kennst dich hier besser aus, als ich." Da hatte er nicht ganz unrecht, denn tatsächlich bin ich von allen Vierteln in Seoul bisher am meisten in Hongdae gewesen, während ich andere Viertel bisher noch gar nicht gesehen habe, z.B. Gangnam, das aber definitiv noch auf meiner Liste steht! Doch nach Hongdae zieht mich etwas ganz anderes als Party, obwohl man das hier wohl ziemlich gut machen kann. Wer mich kennt weiß, dass ich weniger ein Partymensch, sondern viel mehr der Cafemensch bin. Und schöne Cafes gibt es vor allem in Hongdae wie Sand am Meer, weswegen es mich so einige Male in diese Gegend gezogen hat, auch wenn es mich jedes Mal 45 Min von meinem Airbnb aus kostet.
Abseits der ganzen Cafes hier, ist Hongdae einfach unglaublich gut zum Geld ausgeben in every way. Von Spielhallen zu Bars, Karaokeräumen, Clubs, Restaurants, Photobooths und vor allem Shoppingläden - hier gibt es eine ganze Menge, was das Herz begehrt. Wer Spaß haben will, unabhängig davon wie man Spaß definiert, wird hier auf jeden Fall fündig. Hongdae ist mit Abstand der Ort, bei dem ich mein meistes Geld gelassen habe - richtig, und zwar fürs Shoppen! Mein Geld habe ich nämlich nicht nur fürs Reisen gespart, sondern vor allem auch, um hier koreanische Mode zu shoppen, die so unglaublich toll ist. Die Koreaner haben einfach Style, das sehe ich jedes Mal an meinem Freund, der zwar eingedeutscht ist, aber Style fließt einfach durch ihr und somit auch durch sein Blut. Von süßen, manchmal etwas zu kurzen Röcken zu high-waisted Hosen, Bomberjacken, unheimlich viel aus Cord (Cordhosen, Cordjacken usw.), coolen Cappies, Accessoire-Brillen - ja sogar die Joggingoutfits sehen hier stylisch aus. Keiner kann es so geschickt kombinieren wie die Koreaner. Es erinnert mich an den einen Abend, als ich mich spontan für Shopping entschied, nachdem ich ewig in einem Cafe saß, und super gut von einer Koreanerin beraten wurde. Verflucht sei sie dafür, dass sie mich so gut beriet, so dass ich Outfits ausprobierte, von denen ich nie dachte, dass sie mir stehen würden und ich so quasi "gezwungen" war, sie zu kaufen! Spaß beiseite - ich wollte sie kaufen, denn es macht einfach Spaß. Und mit Sicherheit werden es einige von euch auch wollen, wenn ihr hier seid, das verspreche ich euch. Zu meiner Verteidigung: in Deutschland habe ich mich dafür die letzten Monate sehr stark zurückgehalten, denn ich wollte das Geld eben für Korea nutzen. Da ich jetzt hier bin, kann die Leine losgelassen werden, schließlich bin ich gerade nur einmal hier und weiß nicht, wann ich wiederkomme.
Neben den ganzen Shoppingläden, die sich alle ganz lang nach hinten durch eine einzige Straße ziehen, gibt es hier ebenso eine ganze Straße mit vielen Bars und Clubs und ebenso die bekannte Straße "홍대걷고싶은거리" ("Die Straße, in die man gehen möchte"), die u.a. auch für ihre Streetperformances bekannt ist. Hier treten verschiedene Künstler mit coolen Tanzeinlagen, Gesangsperformances oder Instrumenten auf. Hier gibt es so einiges zu sehen, ganz zu schweigen von dem leckeren Streetfood, das ich tatsächlich hier das erste Mal probierte. Wer diesbezüglich einen kleinen Einblick erhalten möchte, kann bei meinem Beitrag über Busan mal nachlesen: Busan pt. 2 - Market & BTS Edition
Was ich ebenfalls sehr an Hongdae genieße sind die Photobooths, von denen es wirklich überall wimmelt. In diesen Läden werden einem Verkleidungen und Haarschmuck, sogar Lockenstäbe und Glätteisen kostenlos zur Verfügung gestellt, damit man perfekt für seine Fotos ausgestattet ist. Alten, klassischen und vor allem engen Photobooths, so wie man sie normalerweise kennt, werden hier in Korea ein neuer Touch verliehen. Die voneinander getrennten, großen Räume in den koreanischen Photobooths, zusammen mit den modernen Fotomaschinen ermöglich einem, die besten Fotostripes oder Fotokarten zu schießen. Denn hier kann man mehrere Fotos machen und sich am Ende zwischen den besten selbst entscheiden, sowie Filter und Hintergründe auswählen und gestalten. Mit einem QR-Code können dann nachträglich noch die Videos beim Fotos machen heruntergeladen werden. Hier werden nicht nur die Menschen und die Bilder, sondern auch der Instagramfeed bestens ausgestattet.
Der Besuch von Hongdae, vor allem abends oder nachts, ist unbedingt ein muss! Nicht nur gibt es Straßen voller Performances, Shopping, Pop-Up Stores, Malls und Party, sondern auch "ruhigere" Ecken, z.B. Parks drumherum und eben viele Cafes, besonders in der Straße "동교로41길", z.B. das Yeontral Dabang und das Cheongsudang Gongmyeong Cafe, die ich hier bereits erwähnte: Die Cafe-Kultur in Südkorea oder das "Sleeping Forest" Cafe und vieles mehr.
Halloween-Party in Itaewon
Wer zu Herbstzeiten in Südkorea ist, darf neben der schönen Jahreszeit natürlich auch nicht die Halloween-Season in Itaewon verpassen. Diese wird nämlich hier ganz groß gefeiert. Und so wollte ich dies natürlich auch nicht verpassen, denn zum ersten Mal nach zwei Jahren wurden die Partytüren wieder geöffnet, nachdem Corona dem vorerst einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. So beschlossen natürlich neben mir noch ganz viele andere Menschen, Halloween das erste Mal dieses Jahr wieder in Itaewon zu feiern. Nun ihr habt wahrscheinlich schon gehört, was ebenfalls Schreckliches hier passiert ist und dies lässt mich keineswegs unberührt. Darüber werde ich am Ende auch kurz schreiben, doch vorerst möchte ich ganz objektiv und neutral darüber berichten, was ich erlebt habe und wie ich das Feierngehen organisiert habe.
Wie ich zuvor bereits erwähnte, bin ich wirklich kein Partymensch. Die jungen wilden Jahre habe ich lange hinter mir gelassen, meine Hochphase war mit 17/18 Jahren und mit meinen jetzigen 23 Jahren fühle ich mich dagegen mittlerweile ganz schön alt. Doch ab und zu muss man sich auch mal gehen lassen und sich daran erinnern, wie schön es damals war, Party zu machen. Man lernt nicht nur ganz viele neue Menschen kennen, die man zwar nie wieder sieht, aber mit denen man viele neue, etwas andere Gespräche hat und man kann einfach mal abschalten und tanzen. Vermisst habe ich es ganz sicher nicht und gebraucht sowieso nicht, aber in Anbetracht dessen, dass Halloween hier groß gefeiert wird, war es eine Motivation für mich, mich etwas zu verkleiden, hübsch zu machen und zu sehen, wie hier wirklich in Seoul gefeiert wird.
Nichts demotiviert mich mehr, als ewig rumzulaufen und eine gute Bar mit guter Musik zu suchen. Ich habe vor ab von anderen gehört, dass in vielen Clubs in Korea Rap und Hip Hop gespielt wird, was so gar nicht meiner Vorstellung von guter Musik entspricht. Um also das ganze Rumgesuche und auch den Stress zu vermeiden, entschied ich mich, einen Pub Crawl über Airbnb zu buchen. Nicht nur sind die Bars und Clubs vorab bestimmt und man muss sich so um nichts kümmern, sondern das Menschentreffen wird dadurch erheblich erleichtert, denn viele andere buchen ebenfalls solche Touren. Ebenso werden einem die Eintrittskosten für die Clubs, die teuer sind, erspart und man bekommt auch kostenlose Shots einmal pro Bar und ein Getränk von den Hosts geschenkt. Die Tour habe ich hier für ganze 17,75€ pro Person gebucht: Absolut: Seoul Kneipentour & Party Mit dabei waren mein Freund Jonas und ein weiterer Kumpel aus Deutschland namens Lorenz.
An dem Abend waren ursprünglich drei Bars und danach ein Club geplant, doch aufgrund der vielen Menschen, ließen wir einen Club aus, da es sonst zu lang gedauert hätte, dorthin zu kommen. Treffpunkt war ab 20-21:30 Uhr in der ersten Bar namens "The Craic House" etwas außerhalb, in der Nähe der U-Bahn Station direkt an der Hauptstraße. Zuvor ging ich noch mit Jonas Abendessen um die Ecke, damit wir bestens ausgerüstet sind für einen Abend mit Alkohol. In der ersten Bar angekommen, bekamen wir unsere Bändchen, womit wir uns als Gruppe identifizierten und als eine Art Eintrittskarte für die Clubs und Bars galt, sowie eine kleine Einführung von den zwei Hosts, wie der Abend abläuft - eine Passkontrolle darf natürlich auch nicht fehlen, also ID nicht vergessen! Dort knüpften wir auch schon die ersten Kontakte: es waren einige Deutsche in der Gruppe, Asiaten (Malaysia, Vietnam usw.) sowie Schweden und Koreaner, die erstaunlich gut englisch und sogar einige Wörter deutsch sprechen konnten. Eine bunt-gemischte Gruppe bestehend aus etwa 25 Personen, die definitiv einen coolen Abend garantiert hat!
Nachdem wir die erste Bar verlassen hatten, ging es erst so richtig mitten ins Getummel. Es war vorher bereits voll, doch als wir durch die engen Gassen liefen, wo erst all die Bars, Clubs und Party so richtig beginnen, wurde es plötzlich voll - also voll. Im langsamen Tempo, Händchen oder aneinander festhaltend drängten wir uns durch die Masse und versuchten, zur nächsten Bar durchzukommen. Hier war an das bevorstehende Desaster von Samstag noch gar nicht zu denken, jedoch war es zugegebenermaßen am Freitag noch nicht so voll wie am Samstag und alle bewunderten noch sorgenfrei die Kostüme der anderen, lachten gemeinsam und dachten an nichts Böses. Es war jedoch schon so voll, so dass ich die Straßen nicht richtig bewundern konnte. Mir fiel nur auf, dass es hier von Clubs und Bars wimmelte; und zwar nicht nur unten im Erdgeschoss, sondern meistens noch obendrüber in der ersten, manchmal auch zweiten Etage. Es gibt also oft Clubs, die nochmal über den Bars sind und von denen aus man einen Blick auf die vollen Straßen werfen konnte. Von dort oben beobachteten wir auch die ganzen kreativen Kostüme von den Super Mario Brüdern, zu Daftpunk, zu Aliens, Polizisten, Wrestlern, Figuren aus Toystory und noch ganz viel mehr.
In der zweiten Bar namens "Bronz x Lazy Cat" angekommen, ging es erst so richtig los. Dort spürte man langsam den Alkohol und lernte die anderen neben der sogar recht guten Musik kennen. Man tanzte, lachte, trank gemeinsam Shots und unterhielt sich darüber, woher man kommt und was man hier macht. Unsere Gruppe war ein Mix aus jungen (19-24) und älteren Menschen (bis 35) und trotzdem verstanden wir uns alle sehr gut. Mal redete man mit der einen Person, dann wieder mit der anderen und plötzlich tanzte man sogar mit den Fremden von dem Tisch nebenan. Nach 1.5h ging es dann auch schon in den letzten Club namens "SUS", das war gegen 23 Uhr. Dann erreichte Itaewon seinen Höhepunkt mit noch volleren Straßen als vorher, was sich dann erst gegen 2 Uhr morgens langsam wieder legte. Die Treppe einer Seitenstraße hoch, eine weitere Treppe, dann befanden wir uns in dem Club und tanzten bis 3 Uhr morgens mit einem Blick über Itaewon, neben einem Mix aus Pop und elektronischer Musik. Der Club war klein, doch es gefiel mir gut, denn für unsere Gruppe war er wie gemacht. Hier lernte ich nochmal einige andere Menschen kennen, die ich zwar nie wieder sehen werde, nicht mal ihren Namen weiß, aber die lustigen Memories in meinem Kopf für immer behalten werde. Menschen machen verrückte Dinge, wenn sie betrunken sind und solange alles seine Grenzen hat, kann man es sogar genießen und mitlachen. Hier tanzte ein Typ mit einem Laserschwert zusammen, ich twerkte mit einem männlichen Liliputaner, traf eine Frau namens Kelly, deren Nummer ich wohl im Handy eingespeichert habe, aber mich nicht daran erinnern kann. Neben mir machte sich der Schwede an eine 10 Jahre ältere Asiatin ran und Lorenz im betrunkenen Zustand musste deren heiße Tanzeinlage jedes Mal unterbrechen, was mir für den Schweden etwas leid tat. Irgendwann ging ich zur Toilette und bemerkte, dass ich plötzlich einen Ring trug, den ich, so erzählte mir Jonas am nächsten Tag, von irgend einem Mädchen in der Bar bekam und mit der ich sogar ein Foto auf dem Handy wiederfand, aber mich nicht einmal daran erinnere. Den Ring habe ich leider übrigens verloren. Das und noch so viel mehr Lustiges ist passiert.
Zwischen 3 und 4 Uhr morgens machten Jonas und ich uns dann auf den Weg nach Hause. Taxis sind natürlich teuer, aber es war die einfachste und gemütlichste Möglichkeit, nach Hause zu kommen. Aber rechnet mit Preisen wie 50.000 - 60.000 KRW, ca. ~45€ - jedenfalls bis zu mir nach Hause nach Sillim-dong.
Die Tragödie nachträglich...
Ich muss sagen, dass es mich zutiefst schockiert hat, als ich Sonntag morgen zu verpassten Anrufen und mehreren Nachrichten auf meinem Handy mit Fragen wie "Geht es dir gut?" aufwachte, noch völlig ahnungslos von den Ereignissen. Jonas telefonierte neben mir erstmal mit seiner Mutter und seinem Onkel, der uns bei der Polizei sogar als vermisst meldete, weil wir so lange nicht antworteten (wir hatten lange geschlafen). Währenddessen googelte ich nach dem, was passiert war, besonders nachdem ich die Instagramstory meiner Freundin Celine sah, die Samstag in dem Getummel Itaewons war und meinte "ihr ginge es gut, keine Sorge." Was war bitte passiert?!
Nachdem ich dann alles erfahren hatte, war ich down für eine ganze Zeit lang. Nicht nur weil es absolut schrecklich und unvorstellbar ist, was dort passiert ist, aber auch, weil es ebenfalls uns und auch meiner Freundin Celine hätte passieren können. Es ist absolut beängstigend darüber nachzudenken, dass man einen Tag vorher in der selben Gegend feiern und eine absolut tolle Nacht hatte, während andere einen Tag später auch eine schöne Nacht haben wollten, aber nie wieder nach Hause kommen werden. Es ist beängstigend zu wissen, wie knapp wir davongekommen sind, dass meine Freundin sogar mittendrin war und ihr Gott sei Dank nichts passiert ist. Da wird einem nochmal so richtig bewusst, wie schnell das Leben vorbei sein kann und man es oft nicht mal erwartet oder kommen sieht.
Celine meinte, dass es unfassbar voll war, und zwar überall, selbst in den Bussen und Bahnen, so dass man dort sogar fast zerquetscht wurde. Wie schlimm muss es also dann erst recht für die Opfer gewesen sein? Ab einem gewissen Zeitpunkt hörte man wohl nur noch Krankenwägen, trillernde Pfeifen der Polizisten und Panik; doch auch viele Menschen, die einfach weiter feierten und lachten, als sei nichts passiert. Ich denke, ich wäre dort mittendrin psychisch kaputt gegangen. Und ich könnte ganz sicher nicht weiterfeiern, wenn ich wüsste, dass neben mir gerade Menschen gestorben sind. Ganz davon abzusehen, dass durch Halloween die meisten mit Fakeblut und Verletzungen geschminkt waren oder andere besoffen und regungslos auf dem Boden lagen - die Verwirrung muss hier groß gewesen sein, jedenfalls erzählte mir das Celine.
Und gleichzeitig bin ich unfassbar dankbar, dass ich noch lebe und versuche mich von den schrecklichen Bildern und den damit verbundenen Gedanken zu distanzieren, denn man kann leider nicht rückgängig machen, was passiert ist. Doch besonders gut damit geht es mir nicht. Ich bete für all die Opfer, die dabei ums Leben gekommen sind und alle trauernden, zurückgebliebenen Familien und Freunde.
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