Der Sprachkurs an der SNU pt. 2
Vor einigen Wochen erzählte ich erstmals über den Koreanisch-Sprachkurs, den ich hier an der Seoul National University (SNU) besuche. In diesem part 2 möchte ich euch erzählen, was der Sprachkurs alles mit sich bringt, wie genau er aufgebaut ist und wie es ist, mit Koreanisch an einer professionellen Universität konfrontiert zu werden - sprich: einfach mal ein wahrer Einblick in das Unileben hier in Korea. Wer part 1 noch nicht gelesen hat, kann dies hier tun: Der Sprachkurs an der SNU pt. 1
Ein kleiner allgemeiner Einblick
Am 05. September startete das neue Semester an der SNU. Wie die Campus Map so schön zeigt, ist das Gelände der SNU riesig. Viele Fakultäten strecken sich über den Campus, es gibt mehrere Restaurants, Cafes, Bibliotheken u.v.m. Die Sprachschule ist in dem Gebäude 137 und liegt etwa 15 Min mit dem Bus von meinem Airbnb entfernt. Allerdings verzögert sich die Fahrt auf 30 Min in dem morgendlichen Verkehr. Wer Lust hat und sich auch etwas Geld sparen möchte, kann den kostenlosen Schoolbus der SNU fahren. Ich bevorzuge der Zeit- und Bequemlichkeitshalber lieber den Bus, der direkt vor meiner Haustür hält. Hierfür zahle ich pro Fahrt 1.200 KRW, was ungefähr 0.70ct pro Fahrt sind. An der Haltestelle angekommen dauert es nochmal 10 Min zu Fuß bis zum Gebäude der Sprachschule. In der Nähe sind direkt zwei asiatische Restaurants und ein Studentencafe, bei dem ich es mir zur Gewohnheit gemacht habe, jeden morgen entweder einen Karamelllatte oder einen Vanillelatte zusammen mit einem Nutellatoast für etwa 5-6€ umgerechnet zu holen.
Von der Sprachschule entfernt dauert es zu Fuß etwa 5 Min zu einem der näheren Studentenrestaurants um die Ecke, bei denen man allerdings keinen Rabatt bekommt - allerdings sprechen wir hier von Preisen für umgerechnet 5€ für ein komplettes, sättigendes Mittagessen. Mit dem kostenlosen Schoolbus kann man aber auch direkt in das "Zentrum" drei Haltestellen bis zu den Nummern 60-63 fahren, wo man dann eine, meiner Meinung nach, bessere Cafeteria mit mehr Auswahl findet. Hier kann man zwischen drei Optionen wählen: meistens eine vegetarische Option, eine mit Fleisch oder eine Suppe mit etwas Side-Dishes, die für Studenten nur 1.000 KRW ~ 0.50ct kostet. Auf die anderen Gerichte bekommt man leider keinen Rabatt, denn dafür muss man wirklich an der SNU eingeschrieben sein, was preislich mit 5-7€ pro Essen allerdings wirklich vereinbar ist. Das Essen schmeckt für den Preis auch recht gut, wobei man hier natürlich nicht als zu hohe Erwartungen haben darf. Drumherum befinden sich noch Convenient Stores, ein Buchladen, bei dem man auch seine Schulbücher kaufen kann, ein Schreibwarenladen sowie der Merch Store der SNU. Sogar eine eigene Post und zwei Büchereien sind mit auf dem Gelände, diese dürfen die Sprachstudenten aufgrund von Corona allerdings nicht nutzen. Aber immerhin hat die Sprachschule auch ihre eigenen PC- bzw. Lernräume, die ebenfalls mit Büchern ausgestattet sind. Hier gibt es alles, was man braucht, um seinen Unialltag voll und ganz auszuleben.
Allgemein lässt sich noch sagen, dass man für den Sprachkurs vier Bücher benötigt. Jeweils zwei Workbooks A und B und die dazugehörigen Grammatikbücher A und B. A wird für die ersten fünf Wochen und B für die letzten genutzt - für insgesamt ca. 77€. Ich kaufte mir dazu noch einen Blog für Notizen zum Mitschreiben, einen Blog für das nachträgliche (in schöner) Nacharbeiten sowie ein kleineres Büchlein für die Hausaufgaben. Und fertig ist man für den Sprachkurs ausgestattet!
Und endlich: wie ist der Sprachkurs?
Und jetzt endlich mal Klartext, das, was eigentlich so richtig interessant ist: wie ist der Sprachkurs? Was erwartet einen? Ich möchte hier kein Blatt vor Mund nehmen und euch einen möglichst authentischen Einblick geben, ich habe nämlich bezüglich des Sprachkurses sehr gemischte Gefühle.
Ich denke, ich muss niemandem erklären, wie aufregend es ist, das erste Mal an einer ausländischen Universität zu studieren. Ich studiere hier zwar kein konkretes Fach, aber eben die koreanische Sprache und das ist schon etwas ganz Besonderes für sich, das so einige Hürden mit sich bringt. Hier wird man anfangs wirklich etwas ins kalte Wasser geschmissen. Jedoch lernt man eine Sprache erst richtig, wenn man aktiv mit ihr konfrontiert und man gezwungen wird, sie zu sprechen. Wie ich anfangs in einem anderen Blogpost mal berichtete, wird Englisch hier nur sehr gebrochen gesprochen. Also sitzt man in dem Sprachkurs und wird 4h täglich mit Koreanisch konfrontiert. Das war anfangs unglaublich hart und gewöhnungsbedürftig - aber so wäre das sicherlich mit jeder Sprache.
Doch so wurde mir nochmal so richtig bewusst, wie anspruchsvoll Koreanisch ist. Koreanisch ist nicht leicht und trotz, dass ich es bereits 1.5 Jahre lang lerne, kann man in dieser Zeit einfach nicht alle notwendigen, nützlichen Vokabeln und Grammatikpunkte gelernt haben. Aber schließlich besucht man ja genau dafür den Sprachkurs. Ich beruhige euch allerdings! Gibt dem ganzen ein bis zwei Wochen Zeit und man kommt rein. Anfangs war es wirklich schwer, denn nichts fällt mir an dieser Sprache schwerer als das Hören und Verstehen. Die Koreaner sind nämlich bekannt dafür, schnell und undeutlich zu sprechen. Bis mein Gehirn dies alles verarbeitet hat und darauf reagieren kann, haben die meisten ihren Satz bereits in Google Translate eingegeben und für mich übersetzt. Aber keine Sorge, die Lehrerinnen sprechen fast alle, wenn auch nur gebrochen, Englisch und geben sich wirklich viel Mühe, einem die Grammatik bestmöglich zu vermitteln - selbst wenn man nach oder während des Unterrichts mehrmals nachfragt. Selbst das Googeln von Wörtern im Unterricht ist gestattet und dies musste ich sogar einige Male tun. Irgendwann gewöhnt man sich zwar an die Sprache und schon allein durch Mimik, Gestik und einzelne Vokabeln/ Wörter kann man sich so oft den Kontext herleiten, nichts desto trotz hilft manchmal nochmal eine eindeutige Definition oder Übersetzung aus dem Internet, damit es richtig Klick macht. Aber nach fünf Wochen kann ich sagen, dass es machbar ist. Wo anfangs mein Hirn wirklich abschaltete, weil ich einfach wenig verstand, kann ich mittlerweile die meisten Wörter und den Kontext verstehen - und selbst das ist schon viel Wert.
Eine Sache, wobei mir der Sprachkurs wirklich viel geholfen hat, ist, und das ist ja auch genau der Sinn davon, meine Hemmungen bezüglich des Sprechens loszuwerden. In Korea angekommen, traute ich mich selten allein in einen Laden und wusste oft nicht, was ich tun oder sagen soll, selbst wenn ich es gewusst hätte. Der Sprachkurs hat mir durch das ständige Sprechen und Zuhören nicht nur die Hemmungen genommen, sondern ich wurde in kurzer Zeit etwas flüssiger im Sprechen. Ich rede hier zwar nicht von komplexen, langen Sätzen, aber selbst Basic Sätze kann ich mittlerweile flüssiger und mit wesentlich mehr Selbstbewusstsein sprechen. Hier lernt man wirklich nützliche Grammatik und Vokabeln, die in täglichen Situationen angewandt werden können, um hier in Südkorea zurecht zu kommen und leben zu können. Das sind z.B. Situationen wie Shopping (wie sage ich, dass ich etwas umtauschen möchte, dass etwas zu groß/klein ist usw.), Essen bestellen, zur Post gehen und Pakete wegschicken, Wegbeschreibungen, Hobbies, Reisen und noch so vieles mehr. Hier wird sich also größtmöglich Mühe gegeben, den Sprachschülern etwas Nützliches mitzugeben. Fokus des gesamten Sprachkurses liegt deutlich auf dem Sprechen, besonders durch viel Partnerarbeit, aktivem Sprechen mit dem Lehrer, der Fragen stellt oder durch Roleplays und Präsentationen. Interaktivität wird hier vorausgesetzt und wird ebenfalls unterstützt durch die vielen Übungen, die ab und zu zusammen mit den anderen Klassen gemacht werden; z.B. "eröffneten" wir einmal einen Basar und verkauften Gegenstände und die andere Klasse musste dann versuchen, bei uns Gegenstände zu kaufen. Lesen und Hören wird wiederum etwas hinten angestellt und meistens in der letzten Stunde des Tages behandelt - wobei man theoretisch ja schon den ganzen Tag hört. Doch die Hörübungen testen gleichzeitig auch das Sprachverständnis, in dem man Fragen beantworten oder ankreuzen muss.
Des Weiteren kann ich sagen, dass der Kurs ziemlich durchgetaktet ist. An unserem ersten Tag bekamen wir bereits den Plan für das gesamte Semester ausgehändigt - ich muss sagen: es ist echt viel. Jedes Grammatikbuch beinhaltet etwa 10 Lektionen, darunter jeweils vier bis fünf "Unterlektionen". Für jede angefangene Lektion gibt es eine Vokabelsektion. Dies sind für die Lektion spezifische Vokabeln, die gebraucht werden, um die Grammatik anwenden zu können. Pro Tag lernt man zwei bis drei Untergrammatikpunkte, die man erstmal verstehen und natürlich dann auch im Idealfall sofort anwenden können sollte. Hinzu kommen nicht nur die Vokabeln aus der Vokabelsektion, sondern zusätzliche Vokabeln, die mit der neuen Untergrammatiklektion vorgestellt werden oder aus Beispielsätzen hervorgehen. So gab es manchmal Tage an denen lernt man in der ersten Stunde alle neuen Vokabeln der Lektion 1, in den darauffolgenden zwei Stunden dann die zwei dazugehörigen Grammatikpunkte der Lektion 1 incl. weiterer Vokabeln. Am Ende finden dann noch Lese- und Hörbungen sowie Aussprechübungen statt, denn die Koreaner haben nochmal extra Regelungen für die Aussprache. Dies alles wird im schnellen Tempo durchgesprochen und am nächsten Tag nur für die ersten 20 Minuten wiederholt, bis es direkt mit den neuen Lektionen weiter geht.
Hinzu kommen die täglichen Hausaufgaben, in denen man jeweils zwei Sätze/ Konversationen (bestehend aus A und B) zu den heutigen gelernten Untergrammatikpunkten aufschreiben und so die Grammatik anwenden muss und die Vokabeltests, die 2-3 mal in der Woche geschrieben werden, um genau zu sein jeweils einen Tag nach einer neu angefangenen Lektion (z.B. Montag Beginn Lektion 1, Dienstag Vokabeltest, Mittwoch Beginn Lektion 2, Donnerstag Vokabeltest usw.). Hochgeladen werden die Hausaufgaben und alles andere per Google Classroom - hierfür hat man immer bis 9 Uhr des nächsten Tages Zeit und bekommt dann eine korrigierte Version zurück.
Klingt viel, oder? Das ist es definitiv. Doch obendrauf kommen noch wöchentliche Roleplays, in denen man zusammen mit einem Partner in jeweils 10 Sätzen pro Person die neue Grammatik anwenden und anschließend frei vor der Klasse vortragen muss, Writing Essays, bei denen man in 15 Sätzen zu einem vorgegebenen Thema frei schreiben muss (in förmlicher Sprache), Bilderbeschreibungen, (Powerpoint)Präsentationen zu vorgegebenen Themen (zwei pro Person in dem gesamten Semester) und regelmäßige Abgaben, bei denen es Punktabzug gibt, wenn man diese nicht einhält z.B. Abgabe eines Skripts für den Writing Essay oder die Präsentation. Die Liste zieht sich endlos weiter.
Hier seht ihr ein paar Beispielbilder, wie die Hausaufgaben, Writing Essays oder Roleplays usw. umgesetzt aussehen, auch wenn es nicht jeder lesen oder verstehen kann :) Unterrichtsmaterialien aus der Uni darf ich leider nicht teilen.
Eine bunt gemischte Klasse
Die Menschen, die ich durch den Sprachkurs kennenlernte, sind bisher sehr nett. "Nett" - das Wort, das man verwendet, wenn man nicht wirklich weiß, wie man etwas beschreiben oder besser ausdrücken soll. Fakt ist es sind nun mal alle wirklich nett, also freundlich. In meiner Klassen sitzen mit mir 14 verschiedene Persönlichkeiten aus verschiedenen Ländern, darunter Portugal, Amerika, China, Indien, Mongolei, Philippinen, Japan und Russland - und dann ich, die einzige Deutsche. Alle mit dem selben Hintergrund: wir wollen Koreanisch lernen. Sei es jemand, der Halbkoreaner ist und seine Muttersprache wieder auffrischen möchte oder jemand, der K-Pop genauso wie du liebt und daher die Motivation für das Koreanischlernen bekam oder jemand, der einfach nur eine neue Sprache lernen möchte, weil es eben Spaß macht - alles ist dabei und trägt zur kulturellen Vielfalt in diesem Kurs bei. Durch den Kurs traf ich auf so viele kulturelle Hintergründe und lernte verschiedene Mentalitäten kennen, was sehr bereichernd und interessant war. Lustig war es manchmal, die kulturellen Eigenheiten zu beobachten. Man sagt, dass Deutsche von Natur aus aus irgend einem Grund Koreanisch sehr gut aussprechen können. Wiederum fällt es den russischen Studenten etwas schwerer und hier fiel es mir definitiv am schwersten, beim Zuhören zu folgen. Die Japaner und Chinesen sind unglaublich dedicated und sehr gut in Aussprache und Anwendung der Grammatik und allem drum und dran. Was die Mongolen wiederum angeht - hier durfte ich Zeuge zwei sehr unterschiedlicher Menschen werden. Einmal die Superstudentin, die alles weiß und ständig reinreden und "angeben" muss, dann die Schlafmütze, die alle zwei Tage in der Klasse fehlt und eigentlich nur kommt, um im Unterricht zu schlafen, so dass sich sogar schon die Lehrer darüber lustig gemacht haben. Ja, sie haben dann Beispielsätze über diesen Typen gebildet, um die neue Grammatik zu zeigen. In so einer bunten Klasse bleibt kein Erlebnis aus. Doch zugegebenermaßen war es anfangs schwer, sich in die Klasse einzufinden. Keiner wusste so richtig, was er sagen oder tun soll, unsere Gruppendynamik war komisch und es dauerte tatsächlich etwa 2-3 Wochen, bis ich mit einigen außerhalb der Uni etwas unternahm. Doch irgendwann gewöhnt man sich aneinander, schließlich sieht man sich jeden Tag und wird durch die Roleplays und Partnerarbeiten dazu animiert, mehr miteinander zu interagieren. Mit allen kommunizierte ich auf Englisch, doch tatsächlich kam man bei einigen mit Koreanisch weiter, z.B. bei der Japanerin. Durch sie wurde ich tatsächlich gezwungen, mehr Koreanisch zu sprechen, weil sie Englisch einfach nicht verstand.
Die Sprachkurse werden überwiegend von Lehrerinnen gehalten. In meinem Kurs wechseln sich allein drei Lehrerinnen mit der Leitung ab (eine montags, eine dienstags und donnerstags, eine andere mittwochs und freitags). Jede Lehrerin macht den Unterricht in einem anderen Tempo, jede erklärt und spricht anders - anfangs war es daher sehr verwirrend. Doch irgendwann passt man sich einfach an. Nichts desto trotz gefiel mir die Lehrerin von mittwochs und freitags am besten, da sie eine putzige Art und Weise hatte, die Grammatik zu erklären - z.B. durch viel Gestik und Mimik. Die Lehrerin von dienstags und donnerstags wiederum benutzte oft englische Begriffe, die mir sehr halfen. So hat jeder seine eigene Art und Weise zu lehren, wodurch man auch automatisch auf verschiedene Typen von Koreanern/ koreanischen Lehrerinnen trifft.
"Oh, you study at the SNU? You must be really smart"
Sätze wie den aus der Überschrift habe ich oft von vielen Koreanern sowie Ausländern gehört, denen ich erzählte, dass ich an der SNU studiere. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das viel mit Intelligenz zu tun hat. Klar, Studieren ist nach wie vor ein Privileg, das sich viele ärmeren Haushalte nicht leisten können. In Deutschland wird einem das Studieren noch erstaunlich leicht gemacht. Schaut man sich das System in Amerika oder ganz Asien an, sieht es schon anders aus. Wer kein Geld oder Durchhaltevermögen besitzt und nicht hart arbeitet, der kann keine gute Bildung genießen. Jetzt wo ich an der SNU studiert habe, weiß ich, warum mich jeder mit großen Augen anschaut. Die SNU ist nicht umsonst die beste Uni in Südkorea, denn wie man in meinem Beitrag schön lesen konnte, muss man auch so einiges tun, um am Ball zu bleiben. Ich sage euch ehrlich: nicht mal in den drei Jahren meines Bachelors in Deutschland habe ich jemals so viel für die Uni gemacht wie in den ersten fünf Wochen des Sprachkurses hier in Südkorea. Kein Wunder - hier wird es den Kindern von klein auf eingetrichtert. Nirgens ist die Selbstmordrate und Anzahl der Internate, getrennten Jungs- und Mädchenschulen so hoch wie in Asien. Hier müssen die Kinder wirklich kämpfen, viel Druck der Eltern und Konkurrenz in den Schulen standhalten. Es heißt lernen, lernen, lernen bis kein bisschen seiner Freizeit mehr übrig ist. Es gibt hier einfach keine Zeit, zu leben. Die Koreaner leben für die Arbeit, stürzen sich in Überstunden (dadurch ist der Feierabendverkehr bei rund 18-19, teilweise sogar noch 20 Uhr) und kämpfen hart, um es bis auf die Spitze zu schaffen. Wer es nicht schafft, wird liegen gelassen und schafft es nicht, in diesem Arbeits- und Schulsystem zu überleben. Hier gibt es kein Auffangsystem wie in Deutschland. Die Koreaner leben im Alter von 30 noch Zuhause, weil es schwer ist, eine gute Arbeit zu finden und zu halten und sich ein eigenes Leben incl. Haus/ Wohnung usw. zu leisten - Seoul ist auf Dauer teuer. Und wer hier nicht hart arbeitet und bereitwillig Überstunden macht, landet schweren Herzens auf der Straße. Dies zeigt ebenfalls der Film "Parasite", den ich damals im Kino schaute und der einen über die Gesellschaft und die Schichten in Korea aufklärt - das kann ich nur jedem empfehlen zu schauen!
Um auf den Punkt zu kommen: wer an der SNU studieren möchte, braucht weniger Intelligenz, sondern viel mehr Durchhaltevermögen, Commitment, ein starkes Mindset und muss für die Arbeit brennen/ leben. Denn ohne Freizeit aufzuopfern, kommt man hier nicht wirklich weit - jedenfalls nicht dem koreanischen Standard entsprechend. Hier gibt es sogar Preise und Belohnungen für all diejenigen, die z.B. nie im Sprachkurs gefehlt haben und überall mit 100% in den Prüfungen usw. abgeschnitten haben - also wirklich Preise wie z.B. Geld, Zertifikate, Stipendien, Essen usw. Gibt man seine Hausaufgaben dreimal in Folge nicht ab, sprechen einen die Lehrerinnen darauf an und machen Druck. Das sind alles Dinge, die man aus Deutschland kaum kennt, jedenfalls nicht aus meiner Studienzeit. An meiner Uni in Deutschland interessierte es niemanden, ob ich einen Tag fehlte oder ob ich im Unterricht zuhörte. Niemand machte Druck und so konnte ich aus meiner intrinsischen, freiwilligen Motivation heraus Leistung erbringen, mit der niemand außer ich allein zufrieden sein musste. Doch in Korea hatte ich bisher eher das Gefühl, das man gezwungen wird, Leistung zu erbringen. Das System ist eher auf das Bullemielernen ausgeprägt in Kombination mit den Studenten so viel reinknallen, so dass sie unglaublich viel nachholen müssen. Und dies ist wiederum auch nicht Sinn eines Sprachkurses - und zwar dass einem so langsam der Spaß an der Sprache vergeht. Denn wo Zwang und Druck ist, ist wenig Raum für Spaß und eigene Entscheidungen. Dies führte letztendlich dazu, dass ich den Sprachkurs nach fünf Wochen abbrach.
Warum ich den Sprachkurs abgebrochen habe
Wie ich oben in dem Abschnitt schon erläuterte, brach ich nach fünf Wochen den Sprachkurs ab, ganz einfach weil es mir zu viel wurde. So sehr ich Koreanisch liebe und diese Sprache definitiv in meinem eigenen Tempo in Zukunft weiterlernen werde, so ging allmählich der Spaß unter all dem Druck seitens der Uni unter, so dass ich irgendwann an einen Punkt ankam, an dem ich mich fragte: "Warum bist du hier in Korea?" - Ja, warum bin ich eigentlich hier? Diese Reise markiert den Abschluss meines 3-jährigen Bachelors und ist meine vorerst letzte Reise, bevor ich im Dezember meinen Vollzeitjob als Recruiterin in Frankfurt antrete, danach ausziehe und selbst auf eigenen Beinen stehen werde. Ziel dieser Reise war es, das Land, das ich so sehr liebe, zu sehen in Kombination mit der Anwendung der Sprache, die ich natürlich weiterhin ausbauen und lernen möchte, doch nicht in diesem Ausmaß. Ziel dieser Reise war es, ein letztes Mal zu entspannen, viel zu erleben, zu reisen, Menschen zu treffen, mal so richtig das lang ersparte Geld auszugeben und nicht erst 4h in der Uni und dann den ganzen restlichen Tag in meinem Zimmer zu sitzen, um Hausaufgaben zu machen, den Stoff täglich aufzuarbeiten und nachzuholen und und und. Letztendlich saß ich mehr in meinem Zimmer und sagte nein zu tollen Erfahrungen und Chancen (z.B. abends rausgehen, sich mit Freunden treffen, auf Festivals gehen usw.), so dass ich irgendwann richtig unglücklich wurde. Also wirklich unglücklich und gestresst. Ich hatte eher mehr verpasst, als das ich gesehen und erlebt hatte und musste dem ein Ende setzen. Und bisher bereue ich diese Entscheidung kein bisschen, auch wenn ich anfangs sehr damit zu kämpfen hatte. Denn ich bin eigentlich keiner, der "aufgibt". Doch wie mir Freunde und auch meine Mutter richtig sagten: das hier ist nicht aufgeben. Im Gegenteil - ich respektiere meine Grenzen und weiß, was mir wichtiger ist und was ich lieber priorisieren sollte. Meine Noten an der SNU bringen mich in dem Sinne nicht weiter, ich machte dies eigentlich nur zum Spaß, bis es keinen Spaß mehr machte. Und so wagte ich einen Schritt, den bestimmt so einige hier in Korea, auch Koreaner, machen wollen würden, aber schlichtweg nicht können. Hier wird einem eben nicht beigebracht, auf sein Bauchgefühl zu hören und seine Grenzen zu kennen und zu respektieren. Und so erfuhr ich auch für mich, dass ich in Südkorea nie wirklich studieren geschweige denn arbeiten oder leben könnte. Ich stelle es mir ehrlich gesagt hart vor und habe dies von einigen Klassenkameraden und Bekannten auch schon bestätigt bekommen.
Letztendlich kann ich nur jedem sagen: hört auf euer Bauchgefühl. Der Kurs hat mir viel gebracht und ich habe viel Nützliches gelernt, das ich im täglichen Leben anwenden kann. Die Roleplays sowie die Präsentationen haben einen dazu bewegt, sich mehr mit der Sprache auseinander zu setzen und haben durchaus einen Sinn. Es hat sogar wirklich Spaß gemacht, diese Aufgaben zusammen mit anderen vorzubereiten. Jedoch ändert es nichts an dem zeitlichen Aufwand, der damit verknüpft ist. Aber probiert es unbedingt aus und schaut, ob ihr mit dem Druck klarkommt. Ich kam damit nicht so gut klar und Dinge nur halbherzig machen kann ich ebenfalls nicht (von wegen einen Gang runterschalten, den Kurs/ das Lernen weniger ernst nehmen usw.), daher auch der vollständige Abbruch. Doch wer damit zurecht kommt und gleichzeitig irgendwie seine Mitte/ Balance finden kann, der sollte sich hiervon definitiv nicht abschrecken lassen! Ich brach nach fünf Wochen ab und bekam fast die Hälfte meines Geldes zurück - es verlief dementsprechend alles reibungslos und auch die Lehrerinnen reagierten verständnisvoll. No need to feel ashamed. Nur wer durch die Uni ein Visum braucht, sollte sich dies gut überlegen. Durch mein 90-tägiges Touristenvisum, hat der Abbruch des Kurses keinerlei Konsequenzen für mich.
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